„Aus den römischen Catacumben“
In der Leichenpredigt auf den Michelfelder Abt Marianus Eder (reg. 1738–1783), gehalten von dem Waldsassener Zisterzienser Thaddäus Paur, wird unter den Leistungen des Prälaten auch die folgende aufgezählt: „Und damit Er nur den Herrn auch in seinen Heiligen loben könnte, holte Er so gar aus den römischen Catacumben den gemarterten Leib des heiligen Innocentius heraus, und übersetzte ihn in diese seine Kirche.“
Der Heilige Leib kam 1766 in die Klosterkirche und wurde in einem Glasschrein auf dem Benediktsaltar arrangiert. Seine Haltung soll zeigen, dass er, obwohl nur ein Skelett, keineswegs tot ist. Er richtet sich auf und schaut dem Betrachter entgegen.
Forschungslücke
Dieser Katakombenheilige muss hier eigens gewürdigt werden, weil er das Opfer einer Forschungslücke wurde. In der Studie über die „Heiligen Leiber in den Ordenskirchen der Oberen Pfalz“ blieb er aufgrund von Rechercheproblemen unberücksichtigt. Denn Heilige Leiber werden in kunsthistorischen Nachschlagewerken üblicherweise übergangen, eine detaillierte Geschichte Michelfelds fehlte noch und für eine Reise dorthin blieb keine Zeit. So ging er nicht in die Studie mit ein. Dabei wäre es wichtig gewesen, auch diese Großreliquie zu berücksichtigen, um ein möglichst klares Bild der oberpfälzischen Gesamtsituation zu gewinnen. Eine Frage in der Heilige Leiber-Forschung ist beispielsweise, ob beim Erwerb von Reliquien eine Art Konkurrenz zwischen den verschiedenen Klöstern bestand.
Einordnung in die historische Entwicklung
Für Michelfeld wird man dies eher verneinen können. Etwa einhundert Jahre lang, beginnend im Jahr 1669, kamen 18 Heilige Leiber in die Ordenskirchen der Oberen Pfalz. In der Zusammenschau erweist sich Michelfeld dabei als Nachzügler:
Jahr |
Kloster |
Heiliger Leib |
1669 |
Amberg, Pfarrkirche Sankt Martin (ursprünglich den Jesuiten zugedacht) |
hl. Crescentianus |
1676 |
Amberg, Jesuiten |
hl. Prosper |
1688 |
Waldsassen |
hl. Deodatus |
1692 |
Amberg, Franziskaner |
hl. Fortunatus |
1730 |
Waldsassen |
hl. Maximinus |
1739 |
Waldsassen |
hl. Theodosius |
1739 |
Waldsassen |
hl. Alexander |
zw. 1733 u. 1740 |
Waldsassen |
hl. Ursa |
|
hl. Valentinus |
|
1742 |
Speinshart |
hl. Faustus |
1747 |
Amberg, Salesianerinnen |
hl. Coelestinus |
1749 |
Speinshart |
hl. Benedictus |
1750 |
Waldsassen |
hl. Vitalianus |
spätestens 1753 |
Waldsassen |
hl. Gratianus |
1762 |
Waldsassen |
hl. Victorius |
ca. 1753/1760 |
Amberg, Salesianerinnen |
hl. Nicasius |
1765 |
Waldsassen |
hl. Maximus |
1766 |
Michelfeld |
hl. Innocentius |
Der Erwerb des hl. Innocentius wirkt nicht wie das Resultat eines Wettstreits, sondern eher wie eine Nachbesserung – man konnte es sich kaum leisten, keinen Heiligen Leib zu haben. So sorgte Michelfeld schließlich doch noch spät dafür, dass auch hier die Gebeine eines Heiligen präsent waren, durch die für die Gläubigen eine direkte Verbindung zwischen Himmel und Erde bestand.
Literaturhinweise:
Schrott, Georg: Heilige Leiber in den Ordenskirchen der Oberen Pfalz. Bestandsaufnahme – Quellenfunde – Interpretationen, in: Mors. Tod und Totengedenken in den Oberpfälzer Klöstern. Symposion vom 20. bis 21. Juni 2018 in der Provinzialbibliothek Amberg (Hgg. ders./ Christian Malzer) Amberg – Kallmünz 2019, 179–226.
Weber, Rudolf: 900 Jahre Kloster Michelfeld, Pressath – Auerbach 2019, 180ff.
Herrn Rudi Weber, Auerbach, sei herzlich für die Überlassung der Bilddatei gedankt!