„Blumisten, Blumen-Liebhaber, Blumen-Verständige, oder Fleuristen, nennet man insgemein diejenigen, welche sich entweder gantz besonders auf den Blumen-Bau und deren Wartung verstehen und sich auch mit vielem Fleiße darauf legen, oder auch die nur einen sonderlichen Gefallen daran haben, und sich deswegen eigene Blumen-Gärten anschaffen oder selber anlegen, und sie mit vielen Kosten unterhalten.“ So definierte Zedlers „UNIVERSAL-LEXICON“ 1752 den heute vergessenen Begriff „Blumist“, der im 18. und 19. Jahrhundert allgemein geläufig war.
Abt Wigand Deltsch von Waldsassen
Eventuell soll auch ein anonymes Ölbild des Abtes Wigand Deltsch von Waldsassen (1708–92, reg. ab 1756) einen solchen „Blumisten“ zeigen. Das ovale Bildnis dürfte sich bis 1803 im Kloster befunden haben und ist heute in Privatbesitz. Seine Ikonographie folgt weitgehend der Tradition des Prälatenporträts. Der Dargestellte, durch das Motiv eines gerafften Vorhangs buchstäblich „inszeniert“, ist durch den Habit als Zisterzienser und durch Pektorale und Mitra als Abt charakterisiert. Das Buch in seiner Linken unterstreicht seine Gelehrsamkeit. Als Besonderheit ist das Attribut einer gefüllten weißen Nelke zu sehen, die ganz im Vordergrund vor Wigand auf dem Tisch liegt und auf die er mit seiner Rechten deutlich hinweist.
Der Waldsassener Hofgarten
Der Prälat hatte gute Gründe, sich als Blumist porträtieren zu lassen. Als er 1756 sein Amt antrat, war der barocke Klostergarten, den der Vor-Vorgänger Eugen Schmid (reg. 1724–44) hatte anlegen lassen, wieder verkommen. Ein Hauschronist berichtet: „Unter der Sorglosigkeit der unerfahrenen nachlässigen Nachfolger [früherer Gärtner] verfiel Alles und Jedes. Der Garten verödete und man nannte die undurchdringliche, unfruchtbare Wüstenei, wo nur der Kohl seine Stelle behauptete, einen englischen Garten. So ging das Werk des für die Erholung seiner Mitbrüder in Liebe bedachten Abtes Eugen zu Grunde und viele Tausende waren nutzlos vergeudet.“ (Binhack 1888, 156)
Wigand sorgte dafür, dass der Garten wieder in Façon gebracht wurde. Im Zuge der Wiederherstellung „legte er zwei weite und hohe Gewächshäuser mit einer Glasseite zur Aufbewahrung und zum Wachstum kostbarerer Pflanzen an.“ (Binhack 1896, 8) Ein Besucher im Jahr 1784, der protestantische Hofmeister Johann Michael Füssel, konnte berichten, er habe im Waldsassener Hofgarten „viele Alleen, und Boscagen, bunte Blumengärten, mit Buchsbaum eingefaßte, und mit Steinen von allerley Farben ausgelegte freye Plätze, und 6 Springbrunnen“ gesehen.
Nelkenzucht und Nelkensymbolik
Da die Nelke statt vieler anderer möglicher Objekte in das Porträt des Prälaten aufgenommen wurde, war sie für diesen sicher von besonderer Bedeutung. Die gesamte Blumengattung erfreute sich in der Vormoderne außerordentlicher Beliebtheit, besonders der Blumisten. Das hier gezeigte Individuum könnte nach der Natur gemalt sein und aus dem Klostergarten gestammt haben, auf den es dann zugleich verwies. Weiße Nelken galten im 18. Jahrhundert „vor rarer, als die andern Gattungen“, so Zedlers Lexikon über die „Nägelein“. Voll Besitzerstolz scheint der Prälat sagen zu wollen: „Derart Schönes gibt es in meinem Garten zu betrachten!“
Doch auch andere Deutungen sind denkbar, ohne einander auszuschließen. Jede abgeschnittene Blume konnte in der Frühen Neuzeit ein Vergänglichkeitssymbol, ein „memento mori“ sein. Die Nelke galt außerdem seit dem Mittelalter als Marienblume und als Christussymbol – sie hieß schließlich im damaligen Deutsch „Nägelein“ und erinnerte auch durch ihre Silhouette an die Kreuznägel. All diese impliziten Botschaften hätten einem ZIsterzienserabt im 18. Jahrhundert wohl angestanden.
Wenn sich die Waldsassener Mönche tatsächlich der Nelkenzucht zugewandt hatten, ist mit diesem Phänomen womöglich auch die dortige Orangeriegeschichte berührt. Ob Nelken, die üblicherweise als Topfpflanzen gehalten wurden, im Freiland oder in Schutzvorrichtungen überwintert werden konnten und sollten, war seinerzeit umstritten. Zumal Kreuzungen mit mediterranen Spezies musste man aber vor Frostschäden bewahren. In den kalten Oberpfälzer Wintern war wohl Vorsicht angebracht. Durch Temperatur und Lichtausbeute eigneten sich besonders Kalthäuser für die Unterbringung in dieser Zeit des Jahres. Abt Wigands Porträt könnte so auch ein indirektes Zeugnis der Waldsassener Orangeriekultur sein.
Lit.:
Binhack, Franz: Geschichte des Cisterzienserstiftes Waldsassen von der Wiederherstellung des Klosters (1661) bis zum Tode des Abtes Alexander (1756) nach Manuskripten des P. Dionysius Huber, Regensburg – Amberg 1888.
Binhack, Franz: Geschichte des Cisterzienser-Stiftes Waldsassen unter dem Abte Wigand von Deltsch (1756–1792) nach handschriftlichen Quellen bearbeitet (Programm des K. Gymnasiums Eichstätt 1895/96) Eichstätt 1896.
[Füssel, Johann Michael:] Unser Tagbuch oder Erfahrungen und Bemerkungen […] auf einer Reise durch einen großen Theil des Fränkischen Kreises nach Carlsbad und durch Bayern und Passau nach Linz. Bd. 1, Erlangen 1787, 194.
Schrott, Georg: Neue Erkenntnisse zur Orangeriekultur des Klosters Waldsassen, in: Orangeriekultur 18 (2021) (im Druck.)
Stephan, Susanne: Nelken. Ein Portrait, Berlin 2018.
Abbildung mit freundlicher Erlaubnis von Robert Treml (†), Waldsassen.