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Treibgut der Säkularisation – Bücher aus Oberpfälzer Klosterbibliotheken im Antiquariatshandel

Das Schicksal der Oberpfälzer Klosterbibliotheken ab 1802/03

Sind Bücher aus ehemaligen Klosterbibliotheken heute in anderen Sammlungen integriert, spricht man gern von „Strandgut der Säkularisation“. Doch nicht alle Bücher haben sich bereits am Spülsaum der Sammelinstitutionen abgelagert. So Manches flottiert auch weiterhin durch die Antiquariate. Einige Funde von Exemplaren aus der Oberen Pfalz können das belegen. Heutzutage, wo der Handel mit alten Büchern in hohem Maße über Verkaufsplattformen und Online-Auktionen organisiert ist, bieten sich dafür vergleichsweise bequeme Recherche-Möglichkeiten, wenn auch mit einer geringen Trefferquote.

Doch wie sind solche Bücher in den Handel gekommen? Bekanntlich wurden die Bestände der Klosterbibliotheken von der kurfürstlichen Regierung eingezogen. In der Oberpfalz gab es folgenden Ablauf:

Nachdem 1802 die meisten Klöster und 1803 auch Waldsassen formell aufgehoben worden waren, sollten die Bücher aus den aufgelösten Konventen der Provinzialbibliothek Amberg zugeführt werden, die 1805 ihre Arbeit aufnahm. Von den ursprünglich rund 53.200 Bänden befinden sich dort heute allerdings nur 13.510 Exemplare. Aus der Oberpfalz wurden nicht wie im übrigen Kurfürstentum Zimelien in die Münchener Hofbibliothek abgeführt. Die Verluste entstanden auf andere Weise. Die Bücher aus Speinshart und Weißenohe wurden unvollständig in Amberg abgeliefert. Außerdem dezimierte ein Brand die Bestände. Zur Strategie der Bibliotheksformierung gehörten sodann Dublettenverkäufe. Solche Dubletten könnten es sein, die nach wie vor durch den Antiquariatsmarkt treiben und dort gelegentlich aufgefischt werden können.

Die folgenden zwanzig Beispiele gehen auf Recherchen über etwa 15 Jahre zurück. Es handelt sich, das sei noch bemerkt, durchweg um Zufallsfunde, nicht um Resultate einer methodischen Suche.

Funde im Online-Handel

Ehemals aus MICHELFELD stammten Eligius Bassaeus‘ zweibändigen „Flores totius theologiae practicae“ (Antwerpen 1659f.), Jacobus Pignatellis „Consultationes canonicae“ (Lyon – Genf 1700; 11 Teile in 2 Bänden) und Fenelons „Begebenheiten des Prinzen von Ithaca“ (Nürnberg 1762). Der bisher letzte Fund ist ein „Corpus Juris Canonici Academicum“ (Colonia Munatiana = Basel 1735), das einst P. Joseph Zallwein (gest. 1769) für das Kloster angeschafft hatte. Dieses Buch war bereits im 1870 wiedergegründeten Franziskanerkloster Pfreimd gestrandet gewesen, nach dessen Aufhebung 1995 aber wieder fortgespült worden.

Als einstiger REICHENBACHER Besitz wird momentan der „Hortulus Philosophicus“ des Karmeliten Andrea Lao (Köln 1662) angeboten.

Schon vor längerer Zeit war ein Exemplar von Johannes Crassets „Außführliche[r] Geschicht der ... Japonischen Kirch“(Augsburg 1738) zu erwerben, das sich einmal in WALDERBACH befunden hatte.

Am ehesten lassen sich Bände aus WALDSASSEN ausfindig machen, wo sich ja auch die mit Abstand größte Bibliothek der Oberen Pfalz befand. Das älteste Beispiel ist eine Aldine von 1565, die „Eleganze, insieme con la copia della lingua Toscana, e Latina“. Aus dem darauffolgenden Jahrhundert ließen sich Nicolaus Crusenius‘ „Monasticon Augustinianum“ (München 1623) und Christophorus Otts „Roma gloriosa“ (Innsbruck 1676) nachweisen. Auch zwei weitere Päpstegeschichten Waldsassener Provenienz waren greifbar: Georg Joseph von Eggs‘ „Pontificium doctum“ (Köln – Frankfurt/M. 1718) und François Pagis „Breviarium Historico-Chronologico-Criticum“ (Antwerpen 1717f.). 1685 wurde in Köln Heinrich Bödekers Betrachtungsbuch „Glückseeliger Tod nach dem Exemplar deß Creutz-Tods Christi Jesu“ gedruckt. Im Worldcat sind nur zwei Exemplare in Augsburg und Wolfenbüttel nachgewiesen, ein drittes aus Waldsassen war zeitweise zu erwerben. 1708 erhob man im Dom von Freising die Gebeine des hl. Nonnosus. Die 1710 am Ort gedruckte Festschrift „Freysingischer Alt- und Neuer Gnaden-Schatz“ befand sich auch in Waldsassener Besitz. Das Exemplar wurde 2018 versteigert, außerdem Michael a Sancta Catharinas „Trinum perfectum“ (Augsburg 1728). Weiterhin wurden zeitweise Ludovicus de Pontes „Betrachtungen über die fürnembsten Geheimnüssen unseres Glaubens“ (Köln 1714) angeboten sowie Denis Petaus „Rationarium Temporum“(Köln 1720). Zum Verkauf standen sodann der dritte und vierte Jahrgang von Heinrich Venediens Predigtsammlung „Fruchtbarer Himmels-Thau“ (Regensburg 1744) und Fabio Ambrosio Spinolas „Kurtzer Begriff Der Betrachtungen Für das gantze Jahr“ (Stadtamhof 1746). Derzeit noch zu haben ist neben Pagis erwähntem „Breviarium“ Franz Schuchs „Disquisitio Astronomica“ (Ingolstadt 1699).

Fast ganz im Dunkeln liegt das Schicksal der Bibliothek von WEISSENOHE. Von den einst wohl etwa 1.000 Bänden lassen sich in der Provinzialbibliothek Amberg nur fünf Titel in neun Bänden dieser Provenienz zuweisen. Doch auch zu dieser Herkunft ließ sich etwas finden: Maximilian Sandaeus‘ „Theologia Juridica“ (Mainz 1630). Sie gehörte laut einem weiteren Besitzeintrag zwischenzeitlich der Jesuitengemeinschaft in Gorheim/Sigmaringen, die 1852 bis 1872 bestand.

Grenzen und Chancen der Recherche

Angesichts der Vielzahl von Büchern in den ehemaligen oberpfälzischen Klosterbibliotheken wäre eine methodische und systematische Suche nach Einzelexemplaren viel zu aufwendig und dabei ergebnisarm. Mikrohistorische Einzelbeobachtungen wie die obigen liefern aber doch einige Einblicke in die Spätfolgen der Säkularisation. Von den außerhalb der Provinzialbibliothek Amberg erhaltenen Bänden ist sicher immer nur ein Bruchteil im Handel zu finden. Dieser erlaubt aber eine (selbstredend nicht quantifizierbare) „Hochrechnung“: Es muss noch eine ganze Reihe von Werken existieren, die anderswo gestrandet sind.

Nur von einem Teil der frühneuzeitlichen Klosterbibliotheken sind zeitgenössische Kataloge überliefert. Die Bestände der übrigen lassen sich ausschließlich anhand noch existierender Bücher rekonstruieren. Wollte man die virtuelle Bibliothek eines Klosters erstellen, wie es beispielsweise in St. Peter auf dem Schwarzwald oder Corvey geschieht, ließen sich solche Antiquariatsfunde dafür berücksichtigen. Es könnten dann zumindest Platzhalter-Digitalisate die Stellen der Originale einnehmen.

Ein Ergebnis kann auf jeden Fall festgehalten werden: Die Aussage zur Amberger Bibliotheksgeschichte, wonach die Bestände der Klosterbibliotheken im 19. Jahrhundert durch Dublettenverkäufe dezimiert worden seien, lässt sich plausibel machen, aber auch  differenzieren. Ein Abgleich mit dem OPAC der Provinzialbibliothek ergibt, dass sechs der oben angeführten Ausgaben tatsächlich vorhanden sind (Crasset, Crusenius, Eggs, Spinola, Schuch und der „Freysingische Gnaden-Schatz“). Vier Werke lassen sich nicht nachweisen (die „Eleganze“, Bödeker, Michael a Sancta Catharina und Sandaeus). Von allen übrigen Werken sind jeweils andere Auflagen oder Ausgaben vorhanden, Fenelons Schrift nicht in Deutsch, aber auf Lateinisch und Italienisch. Insgesamt kann es sich bei den meisten Online-Funden also tatsächlich um ehemalige Dublettenverkäufe der Provinzialbibliothek handeln.

 

Zur Provinzialbibliothek Amberg:

Lipp, Walter/Gieß, Harald: Die Staatliche Bibliothek (Provinzialbibliothek) Amberg und ihr Erbe aus den oberpfälzischen Klosterbibliotheken, Amberg 1991.

Lipp, Walter: Geschichte der Staatlichen Bibliothek (Provinzialbibliothek) Amberg, in: Sitz der Weisheit. 200 Jahre Provinzialbibliothek Amberg, Amberg – Kallmünz 2005, 9–25.

 

Ein verwandtes Beispiel aus St. Emmeram:

Knedlik, Manfred: Provenienz: St. Emmeram. Strandgut der Säkularisation in der Bibliothek des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg, in: Baibl, Lorenz/Lübbers, Bernhard (Hgg.): Verkauft – Vernichtet – Verstreut. Das Schicksal der Regensburger Archiv- und Bibliotheksbestände während des 19. Jahrhunderts (Kataloge und Schriften der Staatlichen Bibliothek Regensburg 15) Regensburg 2018, 167–188.

 

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