Fortsetzung der Reihe anlässlich des Speinsharter Klosterjubiläums
Richinza, die Gemahlin des Grafen Adelvolk von Reifenberg, hat sich mit ihrer Kammerfrau verlaufen:
„Verirrt im Walde, fern von jeder Hilfe,
Mein Jammerruf weckt nur des Echos Stimme.
Gesunken ist mein Mut und ich verzweifle,
Daß mir ein gütig Schicksal Rettung bringe.“
Sie muss fürchten, nie wieder in die Zivilisation zurückzufinden. So legt sie ein Gelübde ab: Wenn sie gerettet würden, werde sie ihren Gatten bitten, „aus Dank dem Herrn ein Kloster zu erbauen.“
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So beginnt das „Festspiel ... zur Rückgabe des Klosters Speinshardt an die Prämonstratenser im Jahre 1921“. Die Autorin war eine Wilhelmine Cammerer, die sonst mit Druckwerken nicht in Erscheinung trat. Sie verfasste aber auch drei Begrüßungsgedichte für die eintreffenden Chorherren. Die Broschüre des Festspiels wurde in Eschenbach gedruckt. Gewidmet ist das Stück „Herrn Prälaten Dr. Michael Hartig, erzbischöflicher Archivar in München“. Er war der große Förderer der Speinsharter Wiederbegründung.
Das Spiel hat drei Szenen. In nicht ganz störungsfreien Blankversen wird vor allem die Gründung Speinsharts dargestellt mit einem visionären Ausblick auf die Klostergeschichte bis in die Gegenwart des Jahres 1921.
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Der erste Auftritt handelt vom Anlass der Klosterstiftung. Kaum hat Richinza ihr Gelübde ausgesprochen, hört man Hörner und Pferdewiehern. Der Graf und seine Jagdgesellschaft erscheinen und die Frauen sind gerettet. Adelvolk willfährt ohne Zögern dem Wunsch seiner Gemahlin, ein Kloster zu gründen. Sein Bruder Reinhold schließt sich spontan an. Nur Eberhard, der dritte Reifenberger, weigert sich zunächst, weil er seine geliebten Jagdgründe nicht an irgendwelche Mönche abtreten möchte. Nun wird jedoch Adelvolks Schimmel freigelassen. Er soll Gottes Willen weisen, wo das Kloster zu errichten sei. Als das Tier dreimal an derselben Stelle Halt macht, ist auch Eberhard überzeugt, dass hier eine höhere Macht im Spiel ist, der er sich zu beugen hat.
Damit ist der schwerste Konflikt des Dramas bereits bewältigt. Es folgt in derselben Szene noch ein kürzerer zweiter: Der Bauer Stippo bringt Bedenken vor, dass er und seine Genossen Angst hätten, von den Mönchen vertrieben zu werden. Doch Adelvolks Jagdfreund Friedrich von Leuchtenberg kann sie beruhigen: Die Ordensmänner würden den Wald roden und die Sümpfe trockenlegen.
„Doch das Geringst‘ ist dies. Die Herzen wollen
Sie näher bringen unserm Herrn und Gott,
Die Kinder lehren und die Mütter trösten,
Den armen Menschen helfen in der Not.
Den Kranken sind sie Arzt, Betrübten Tröster,
Sie bringen Hilf‘ durch klugen Rat, durch Tat.“
Der zweite Auftritt umfasst nur zwölf Verse. Propst Grimo und der Chorherr (im Text: „Mönch“) Bonifazius haben bei Wolfs- und Uhu-Geheul im wilden Wald übernachtet. Bonifazius würde aus der unwirtlichen Gegend lieber in sein Heimatkloster zurückkehren, doch Grimo ermahnt ihn zu mehr Gottvertrauen.
Schauplatz des dritten und letzten Auftritts ist Adelvolks Schlosshof. Der Graf begrüßt Grimo und seine Mitbrüder und lässt ihnen die Schenkungsurkunde und ein Klostermodell überreichen. Da trifft Kaiser Friedrich ein, der sich zufällig in Eger aufgehalten hat, und lässt unverzüglich einen Schutzbrief für das Kloster ausstellen. Schon erscheint auch ein päpstlicher Gesandter mit einer Bulle, die das Kloster unter den Schutz des Heiligen Stuhls stellt.
Der letzte Teil der Szene besteht lediglich in einem langen Monolog des Burgkaplans Godehard. Dieser preist die himmlische Fürsorge und verfällt sogleich in Ekstase. „Mit Seherblick“ sagt er die gesamte weitere Geschichte des Klosters voraus. Nach der ersten Blüte folgt der Niedergang:
„Vernichtet ist das Kloster! Seinen Glauben
Hat abgelegt der Abt ...“
Die Reformation beendet vorläufig die Geschichte der Niederlassung. Dann blüht das Kloster „wie der Vogel Phönix aus der Asche“ ein zweites Mal auf, um erneut zu veröden. Doch es gibt einen weiteren „Auferstehungsmorgen“. Die letzten drei Strophen sind als Begrüßungsgedicht an die neu eingetroffenen Chorherren formuliert:
„Ihr stillen, tapfern Helden, seid willkommen!
Nehmt und weiht ein das alte Heiligtum!
Mög‘ alle Not der Zeiten euch nun schweigen,
Wollt fern der Welt am Herzen Gottes ruhn ...“
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Das Festspiel ist literarisch ganz anspruchslos. Erwähnung verdient es als Zeitdokument im Rahmen der Feierlichkeit zur Neugründung. Die Verklärung der mittelalterlichen Erstgründung und des Wirkens der Chorherren ist wohl nicht nur dem freudigen Anlass geschuldet, sondern auch Ausfluss der katholischen Mentalität dieser Zeit.
Das Stück wurde am Nachmittag des 2. Oktober 1921 von Laiendarstellern aus der Pfarrei Speinshart vor dem Kirchenportal aufgeführt, „in prächtigen Kostümen“, wie die Klosterchronik berichtet. 1995 wurde es zum 850. Gründungsjubiläum noch einmal inszeniert. Vielleicht ja auch wieder 2021?
Das Textheft gibt es natürlich in den Speinsharter Beständen, ist im Bibliotheksverbund Bayern aber sonst nur in drei kirchlichen Bibliotheken nachgewiesen (Abtei Metten, Bischöfliche Zentralbibliothek Regensburg, Dombibliothek Freising). Im Worldcat ist es bisher nicht verzeichnet.
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Mit Wilhelmine Cammerer kann man auch den heutigen Speinsharter Prämonstratensern wünschen:
„Sankt Norberts Söhnen, die sich ihm geweiht,
Gab er [Gott] sein Wort, daß dieser fromme Orden
Soll fortbestehen bis ans End‘ der Zeit.“
Lit.:
Cammerer, Wilhelmine: Festspiel in 3 Auftritten zur Rückgabe des Klosters Speinshardt an die Prämonstratenser im Jahre 1921, Eschenbach 1921.
850 Jahre Prämonstratenserabtei Speinshart. 75 Jahre Wiederbesiedlung durch Stift Tepl. 1921–1996. Eine Ausstellung der Prämonstratenserabtei Speinshart in Zusammenarbeit mit dem Diözesanmuseum Regensburg (= Kunstsammlungen des Bistums Regensburg. Diözesanmuseum Regensburg. Kataloge und Schriften, Bd. 17). Regensburg 1996, 100f.; Aufnahme der Darsteller des Festspiels auf S. 163.