Ein Gastbeitrag von Christian Malzer zur Reihe anlässlich des Ensdorfer Klosterjubiläums
Die heutige Ensdorfer Pfarrkirche St. Jakob verfügt wohl über eine der schönsten Sakristeien der Oberpfälzer Klosterkirchen. Davon konnten sich im Sommer 2018 nicht zuletzt die Teilnehmer der im Rahmen des 4. Oberpfälzer Klostersymposions durchgeführten Exkursion überzeugen.
Das südlich des Hochaltars gelegene zweijochige Tonnengewölbe ist nicht nur mit einer feinen Stuckierung aus der Klosterzeit (um 1725) ausgestattet, sondern beherbergt auch noch das historische Mobiliar des 18. Jahrhunderts. Dank eines an der Nordwand stehenden Ankleidetisches mit der Jahreszahl 1743 und dem Wappen von Abt Anselm Meiller (reg. 1716–61) lässt sich die Einrichtung der Sakristei recht genau datieren. Die mit reichem Laub- und Bandschnitzwerk im Stil des frühen Rokoko verzierten Sakristeischränke fanden bereits in Maders Kunstdenkmälern des Königreichs Bayern durch ihre Beschreibung und zwei ganzseitige Abbildungen (Fig. 43 und 44) ihre Würdigung.
Gestalt und Inhalt des „ELENCHUS“
Nur knapp erwähnt der Text der Kunstdenkmäler dagegen eine ebenfalls auf Figur 43 abgelichtete und an der Westwand der Sakristei direkt neben der Eingangstür angebrachte Tafel mit einer Liste von Klöstern und Stiften. Der in dunkles Holz gerahmte Text trägt die Überschrift „ELENCHUS MONASTERIORUM CONFŒDERATORUM ET PRO QUOVIS EORUM DEFUNCTO PERSOLVENDÆ OBLIGATIONES.“
Es handelt sich demnach um eine Liste von Ordenshäusern, mit denen der Ensdorfer Konvent ein aktives Gebetsgedenken pflegte. Das alphabetisch geordnete Verzeichnis umfasst die latinisierten Namen von 30 Männerkonventen. Hinter jedem Namen ist zudem das zu leistende Gebetsgedenken verzeichnet, ehe die Tafel mit den Worten „IN OMNIBUS GLORIFICETUR DEUS“ schließt. Dieser bisher ungewürdigten Quelle zum Verbrüderungswesen der frühneuzeitlichen Benediktinergemeinschaft soll im Folgenden etwas Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Das den Text umgebende Bildprogramm harrt noch einer weiterführenden Untersuchung, lässt sich jedoch mit dem Inhalt in Verbindung bringen. In allen Szenen geht es um die menschliche Sündhaftigkeit und ihre Folgen nach dem Tod. Im Fokus stehen dabei die Qualen im Fegefeuer und die Hoffnung auf eine Linderung derselben. Es wird also visualisiert, was durch das Gebetsgedenken memoriert bzw. vermieden werden sollte.
Bei einer näheren Betrachtung der aufgeführten Ordensgemeinschaften lassen sich zwei Dinge feststellen: Neben dem Schwerpunkt auf Männerabteien der Bayerischen Benediktinerkongregation fällt auf, dass Ensdorf auf regionaler Ebene mit fast allen Prälatenklöstern des Fürstentums der Oberen Pfalz fraternisiert war. Vor diesem Hintergrund sticht jedoch das Fehlen zweier Namen ins Auge, die man wohl erwarten würde: Kastl und Waldsassen. Interessant ist, dass auch für das Mittelalter genau mit diesen beiden Klöstern keine Ensdorfer Gebetsverbrüderung nachweisbar ist.
Das Fehlen des nur rund 22 Kilometer entfernten ehemaligen Benediktinerklosters Kastl erklärt sich in der Frühen Neuzeit aber schlicht und einfach dadurch, dass der Konvent im Zuge der Rekatholisierung der Oberpfalz nicht mehr wiederbegründet wurde. Interessanter ist dagegen das Fehlen der Zisterziensergemeinschaft von Waldsassen, die als einzige der wiederbesiedelten Oberpfälzer Abteien offenbar keine Verbrüderung mit Ensdorf pflegte. Da aber selbst das neue Waldsassener Mutterhaus Fürstenfeld im Ensdorfer „ELENCHUS" aufgeführt wird, wäre noch genauer zu ergründen, warum die beiden Oberpfälzer Konvente durch kein direktes Gebetsgedenken verbunden waren. Offenbar wurde den Verbrüderungen und Rotelboten in der Frühen Neuzeit in Waldsassen keine besondere Beachtung geschenkt, da sich auch keine Totenroteln zu Waldsassener Konventualen erhalten haben.
Eine weitere Besonderheit ist die Nennung des Wiener Schottenklosters, das den Rahmen der im bayerischen Raum geballten Verbrüderungen deutlich aufsprengt. Ob diese Verbindung evtl. auf Kontakte verweist, die der 1761 zum Ensdorfer Abt gewählte Anselm Desing während seines Philosophiestudiums in Wien knüpfte, kann nach aktuellem Kenntnisstand nicht abschließend beantwortet werden.
Der „ELENCHUS“ und die Ensdorfer Rotelsammlung
Für eine stilistische Datierung des „ELENCHUS“ wäre eine eingehendere kunsthistorische Betrachtung von Nöten. Man wird jedoch annehmen dürfen, dass das Stück zeitnah mit dem Rest des Interieurs der Sakristei angesetzt werden kann. Damit entstand die Tafel wohl parallel zum wichtigsten Quellenkonvolut zum Totengedenken und Verbrüderungswesen in der frühneuzeitlichen Benediktinerabtei: der 1497 Schriftstücke umfassenden Ensdorfer Rotelsammlung. Diese wird heute in der Provinzialbibliothek Amberg verwahrt und ist bereits vollständig digitalisiert. Die darin zusammengetragenen Todesmeldungen erstrecken sich über einen Zeitraum von 1716 bis 1789. Im Rahmen des 4. Oberpfälzer Klostersymposions konnte Gerald Hirnter den hohen Grad an unikalen Roteln aufzeigen, die in der Ensdorfer Sammlung enthalten sind.
Vergleicht man die im Ensdorfer „ELENCHUS“ genannten Ordensgemeinschaften mit der von Manfred Knedlik erarbeiteten tabellarischen Zusammenstellung zum Herkunftsort der Roteln (S. 144), zeigt sich ein hoher Deckungsgrad: Aus allen 30 Klöstern und Stiften, die auf dem „ELENCHUS“ genannt werden, finden sich Roteln in der Ensdorfer Sammlung. Darüber hinaus gibt es unter den 1497 Roteln aber nur vier Provenienzen (Kladrau: 1 Rotel; Michaelbeuren: 1; Passau Niedernburg: 2: Regensburg St. Jakob: 5), die nicht auf dem „ELENCHUS“ angeführt sind.
Diese Erkenntnis ist umso interessanter, da sich unter den im Staatsarchiv Amberg lagernden Ensdorfer Klosterurkunden nur ein frühneuzeitlicher Verbrüderungsbrief über eine Konfraternität mit Walderbach erhalten hat. Der „ELENCHUS“ weist also nicht nur eine Deckungsgleichheit mit der Provenienz der erhaltenen Totenroteln auf, sondern darf auch als Beleg dafür angesehen werden, dass der Sammlung ein Verbrüderungsnetzwerk der Ensdorfer Benediktinergemeinschaft zu Grunde lag. Durch die nach den Namen angeführten Ergänzungen bietet der Text der Wandtafel darüber hinaus Einblicke in die zugesagten Memorialleistungen, die ganz unterschiedlich ausfallen konnten.
Ob mit jeder aufgeführten Kommunität tatsächlich ein Verbrüderungsvertrag mit Brief und Siegel geschlossen wurde, lässt sich aus der Ensdorfer Überlieferung heraus jedoch nicht mehr ergründen. Die eben bereits erwähnte, einzig erhaltene Verbrüderungsurkunde stellt einen Sonderfall dar, der sich mit einem Blick auf ihren Inhalt und das Verbrüderungswesen des mittelalterlichen Benediktinerkonvents erklären lässt. Im Text des am 25. Januar 1719 ausgestellten Dokuments (KU 758) wird nämlich explizit auf die Erneuerung der mittelalterlichen Verbrüderung (KU 444, 29.9.1474) Bezug genommen. Die Fraternisierung darf also als bewusster Historizismus gedeutet werden, um in den beiden wiederbesiedelten Klöstern die Zäsur des 16. Jahrhunderts zu überbrücken. Ein kurzer Abgleich der belegten mittelalterlichen Verbrüderungen mit dem „ELENCHUS“ zeigt: Immerhin mit zehn der 30 genannten Konvente pflegte Ensdorf bereits im Mittelalter Fraternitäten, jedoch lässt sich nur für die Verbrüderung mit Walderbach das von den mittelalterlichen Konventen gepflegte Totengedenken als direkter Anlass der frühneuzeitlichen Gebetsverbrüderungen belegen.
Lit.:
Benz, Stefan: Vergangenheitsbewältigung. Die Oberpfälzer Klöster und ihr Umgang mit ihrer zeitweiligen Aufhebung in der Reformation, in: Archiv für Kulturgeschichte 91 (2009) 99–123.
Hirtner, Gerald: Die frühneuzeitlichen Totenroteln der Oberpfälzer Stifte. Überlieferung, Strukturen, Aussagen, in: Schrott, Georg/Malzer, Christian (Hg.): Mors. Tod und Totengedenken in den Oberpfälzer Klöstern (Veröffentlichungen der Provinzialbibliothek Amberg), Kallmünz 2019, 137–177, hier: 142f.