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Passionsfrömmigkeit aus dem Kloster Weißenohe – Johann Nepomuk Lingl als geistlicher Autor

Die Abtei Weißenohe, einst im Territorium der Oberen Pfalz gelegen, heute in Mittelfranken, genießt, abgesehen von der immer noch bestehenden „Klosterbrauerei“, keine allzu große Bekanntheit. Auch in der vormodernen Geschichte spielte sie eine eher marginale Rolle. Ihr Stiftsgebiet war klein, ebenso der Konvent.

In dessen Reihen wurden dennoch verschiedene Mönche als Autoren aktiv: Johannes Gualbertus Forster (1657–1727, Abt ab 1695), Marian Dobmayer (1753–1805), Johann Nepomuk Lingl (1758–1816) und nach der Säkularisation Willibald (weltlich: Martin) Schrettinger (1772–1851).

Lingl trat zwischen 1793 und 1799 mit mehreren Predigtreihen an die Öffentlichkeit. Er verfasste aber auch Andachtsbücher für die Karwoche und die Fronleichnamsoktav. Eine Untersuchung zu Lingls Leben und Werk ist in Vorbereitung.

 

Am Heiligen Grab

Der Hauptabschnitt in Lingls Andachtsbuch „Schmerz und Liebe am Grabe Jesu“ trägt die Überschrift: „Jesus, der Verstorbene, im Grabe Josephs von Arimathea, mit Hinsicht auf die heil. fünf Wunden Jesu“. Als Imaginationshilfe ist den Meditierenden ein Frontispiz beigegeben, das den verstorbenen Jesus zeigt. Entwerfer und Stecher sind nicht angegeben, das Blatt wurde aber höchstwahrscheinlich am Verlagsort Augsburg hergestellt.

Der Körper Jesu wird nicht als bestatteter Leichnam, sondern als Objekt der geistlichen Betrachtung gezeigt. Auf einem Steinsockel und einem Tuch ist der Leichnam so drapiert, dass die fünf Wunden deutlich zu sehen sind. Die Hände sind sogar so arrangiert, dass einmal der Handrücken, einmal die Handfläche mit der Nagelwunde sichtbar ist. Der Kopf wirkt wie aufgerichtet doch die geschlossenen Augen zeigen an, dass wir es noch nicht mit dem österlichen Christus zu tun haben. Die Umgebung, ein gemauertes Gewölbe, stellt nicht das Höhlengrab Josephs dar, in dem Jesus dem biblischen Zeugnis nach bestattet wurde, eher die unverputzten Mauern der gewölbten Seitenkapelle in einer Kirche, wo Heilige Gräber ja häufig aufgestellt waren.

In gewisser Weise stand den Besitzern des Buches so ein portables Heiliges Grab zur Verfügung, das auch während der Lektüre zuhause immer wieder betrachtet werden konnte.

 

Aus einer Karfreitagspredigt von Nepomuk Lingl

Eine 1794 veröffentlichte Karfreitagspredigt stellt Lingl unter ein Motto von Augustinus: „sieh! Seele! so viel bist du werth! Seele! so viel giltst du!!“ In einer Zeit, in der die Erbsünde und das Fegefeuer noch im Mittelpunkt der theologischen Verkündigung standen, hatte Passionsfrömmigkeit eine Wichtigkeit, die heute nur noch schwer nachzuvollziehen ist. Doch Lingl legt den Akzent seiner Predigt nicht auf Schuld und Sündhaftigkeit, sondern argumentiert wesentlich differenzierter: „Lerne dich heute kennen, o Mensch! aus dem Werthe, der da am Kreuze für dich gegeben ist, lerne dich kennen, kennen deine einzige, deine unsterbliche, deine unschätzbare Seele! lerne sie schätzen, lerne sie bewahren“ (S. 120). Lingl verweist außerdem auf die menschliche Gottebenbildlichkeit und betont (recht frei nach Paulus, 1 Kor 6,19), dass die Seele der Tempel des Hl. Geistes sei (S. 121).

Im Hauptteil der Predigt wird der Leidensweg Jesu betrachtend abgeschritten, vom Garten Getsemani bis zu seinem letzten Atemzug. Angesichts dessen fragt Lingl schließlich die Zuhörerschaft: „wie? sage mir! liebst du denn auch itzt noch die Sünde?“ (S. 137) Nicht die Demontage des sündigen Menschen ist hier das Anliegen des Autors, sondern die positive, intrinsische Motivation zum Guten. Man erkennt, welch großer Schritt in der ersten Phase des Reformkatholizismus im späten 18. Jahrhundert gegangen wurde und dass Lingl sein überzeugter Anhänger war. Am Schluss wünscht er in Anspielung auf Jesu letztes Wort gemäß Joh 19,30: „O! möchte es doch itzt auch von unsrer Geisteserneuerung heißen: ‚es ist vollbracht!!‘“ (S. 141)

 

 

Allen Leserinnen und Lesern des „Oberpfälzer Klosterblogs“ eine besinnliche Karwoche und ein freudiges Osterfest!

 

Lit.:

Lingl, Johann Nepomuk: Geisteserneuerung des Christen nach dem System des praktischen Christenthums in sechs sonntägigen Fastenpredigten sammt einer Charfreytagspredigt, Augsburg 1794, 117ff.

Ders.: Schmerz und Liebe am Grabe Jesu nebst einem Gebeth an die schmerzhafte Mutter Jesu. Zum Gebrauch der lezten Tage in der Charwoche, Augsburg 1795.

 

Abb.:

Mit freundlicher Erlaubnis der Bischöflichen Zentralbibliothek Regensburg (Signatur: 9995/SWSAsc. 855).

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