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Noch ein Kantianer in Weißenohe: Johann Nepomuk Lingl

Anlässlich des Gedenkjahres zum 250. Geburtstag von Willibald Schrettinger (1772–1851) hat Alois Schmid diesen kürzlich als Kantianer exponiert. Die Auseinandersetzung mit den Schriften des Königsberger Philosophen um 1797/98 war eine wichtige Voraussetzung für zwei ungewöhnliche Befreiungsschläge: Schrettinger war der Wortführer einer Gruppe von Mönchen, die beim Geistlichen Rat in München um die Aufhebung ihres Klosters Weißenohe nachsuchten. Und als dies nicht gelang, verließ Schrettinger das Kloster 1802 auf eigene Faust, kurz ehe es ohnehin der Säkularisation zum Opfer fiel.

 

Johann Nepomuk Lingl und Immanuel Kant

Es war allerdings nicht erst Schrettinger, der die Kant-Lektüre in Weißenohe einführte. Schon vor ihm hatte dies Johann Nepomuk Lingl (1758–1816) getan. Er war einige Zeit Professor im Hausstudium des Klosters. Der in diesem Rahmen entstandenen Disputationsschrift POSITIONES THEOLOGIÆ DOGMATICÆ“ von 1789 ist zu entnehmen, dass man sich in der Frage der Existenz Gottes mit Immanuel Kant und mit Benedikt Stattlers „Anti-Kant“ auseinandersetzte.

Im Jahr 1795 veröffentlichte Lingl außerdem das Bändchen „Auserlesene Denksprüche der Vernunft, der Religion und des Staates“. Es handelte sich dabei um eine Blütenlese aus den „Philosophische[n] Gedanken und Abhandlungen meist moralischen Inhalts“, die der katholische Kantianer Sebastian Mutschelle (1749–1800) 1794 anonym veröffentlichte.

Lingl beschreibt sein Anliegen im Vorwort so: In Mutschelles Werk, „das zu seinem Gegenstande größtentheils die Prüfung Kantischer Grundsätze hat, und meist nur für tiefdenkende Philosophen geschrieben ist, finden sich so viele schöne Bemerkungen, und edle Sprüche von jedem Fache ein, daß es ewig Schade wäre, wenn dieser verborgene Schaz und diese edlen Goldkörner nicht auch in die Hände anderer Tausender, die eben keine strenge Philosophen, vielleicht gar keine, am allerwenigsten Philosophen für dieß Werk sind, sollten ausgestreuet werden.“ So wollte er zur weiteren Popularisierung Kants in katholischen Kreisen beitragen.

 

Lit.:

Lingl, Johann Nepomuk: POSITIONES THEOLOGIÆ DOGMATICÆ UNIVERSÆ [...], Nürnberg 1789.

Ders.: Auserlesene Denksprüche der Vernunft, der Religion und des Staates, zur Aufheiterung der Seele, Aufhellung des Verstandes, und Bildung des Herzens [...], Augsburg 1795.

Rauscher, Josef: Sebastian Mutschelle (1749–1800): „Ein Mann ganz nach dem sittlichen Gesetze der Vernunft – ist ein Mann nach dem Herzen Gottes“, in: Kant und der Katholizismus. Stationen einer wechselhaften Geschichte (Hg. Norbert Fischer) (Forschungen zur Europäischen Geistesgeschichte 8) Freiburg/Br. 2005, 207–221.

Schmid, Alois: Der Weißenoher Benediktiner und königliche Hofbibliothekar P. Willibald (Martin) Schrettinger OSB (1772–1851) und Immanuel Kant, in: Studien und Miteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 133 (2022) 339–360.

Schrott, Georg: P. Johann Nepomuk Lingl (1758–1816) – ein geistlicher Autor aus der Benediktinerabtei Weißenohe (in Vorbereitung).

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