Am 28. und 29. Juli fand in der Provinzialbibliothek Amberg das 5. Oberpfälzer Klostersymposion statt. Das Thema lautete diesmal: „ARTES. Kunst und Künste in Oberpfälzer Klöstern“. Im barocken Bibliotheksaal des ehemaligen Jesuitenkollegs kamen acht Referate zum Vortrag.
Die Einführung hielt Dr. Georg Schrott (Sprockhövel), auch im Namen seiner gesundheitsbedingt ausgefallenen Co-Moderatoren Manfred Knedlik (Augsburg) und Christian Malzer (Würzburg). Zunächst wies Schrott auf den andersartigen und weiten Kunstbegriff der Vormoderne hin, den man beispielsweise an den Buchtiteln der klösterlichen Bibliothekskataloge und des Amberger Altbestands nachvollziehen könne. Die Spannweite reicht von der „Ars moriendi“ bis zur „Ars bibendi“. Mit der Signaturengruppe „Artes“, vor allem aber mit den zahllosen Graphiken, die als Buchillustrationen dienten, weist die Provinzialbibliothek selbst einen enormen Fundus an Kunst auf, der großenteils aus den ehemaligen oberpfälzischen Abteien stammt. In den Klöstern selbst ist es die Kunst der Gegenreformation, die das überwiegend barocke Erscheinungsbild der Bauten und ihrer Ausstattung bis heute prägen.
Kunst
Die Reihe der Referate eröffnete Prof. Dr. Sibylle Appuhn-Radtke (Augsburg) mit einem Vortrag über die Entwicklung jesuitischer Kongregationssäle im (heutigen) bayerischen Gebiet. Das älteste erhaltene Beispiel dieses Raumtyps befindet sich in Amberg. In die Mitte von Fr. Johannes Hörmanns Kassettendecke ist hier ein Bildnis eingefügt, das den Englischen Gruß zeigt. In der Folge entwickelten sich die künstlerischen Möglichkeiten weiter, die bildliche Ausstattung wurde immer komplexer. Im Ingolstädter Saal, bekannt als die Kirche Maria de Victoria, überspannt das Deckenfresko C. D. Asams den ganzen Raum. Weitere prachtvolle Variationen befinden sich in Dillingen und Augsburg. Die Marien-Ikonographie wurde immer mehr angereichert mit Emblemen, Epitheta aus der Lauretanischen Litanei und alttestamentlichen Präfiguationen.
Unter der Überschrift „Die Bibliothek als Inszenierung und Aufführung“ entwarf Georg Schrott performative Deutungen der Büchersäle im Amberger Jesuitenkolleg, in Speinshart und in Waldsassen. In seinem Ansatz ging es nicht in erster Linie um die ikonographische und ikonologische Gestaltung der barocken Schauräume, sondern um die „implizite Besucherführung“, die durch die Gestaltung der Bibliotheken vorgegeben ist. Jeder Saal weist eine eigene Bewegungsregie auf, der die Besucher folgen sollten. Bildprogramme und Führungslinien stehen dabei miteinander in Wechselwirkung.
Dr. Andreas Erb (Amberg) zeigte am Beispiel des Amberger Maria-Hilf-Bergs, wie Kunst als Teil der medialen Selbstdarstellung einer Wallfahrt zum Einsatz kommen konnte. Der Referent richtete den Fokus auf die Wallfahrtsstätte als „Unternehmen“, das entsprechenden ökonomischen Gesetzmäßigkeiten zu folgen hatte. Als völlige Neugründung im Jahr 1634 war die Wallfahrt kein Selbstläufer. Eine breite Werbung über viele Kanäle (das architektonische Erscheinungsbild, die Verkündung eines vollkommenen Ablasses für die Wallfahrer, die Dokumentation von Wundern) war erforderlich. In diesen Zusammenhang ist auch Cosmas Damian Asams fünfteiliger Zyklus von Deckenfresken über die Geschichte der Wallfahrt einzuordnen. Nach dem Referat konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposions bei einer Exkursion zum Maria-Hilf-Berg die Situation vor Ort erkunden.
Im Festvortrag am Abend mit musikalischer Umrahmung stellte Abt Dr. Beda Maria Sonnenberg OSB(Plankstetten) die ungewöhnliche Bildkomposition vor, die eines der Deckenfresken in seiner Klosterkirche zeigt (s. Abb.). An sich ein übliches benediktinisches Bildmotiv – die Glorie des hl. Benedikt – liegt doch eine rätselhafte Kombination von Motiven vor. Abt Beda deutete die Figur des Ordensgründers zwischen den lateinischen Kirchenvätern auf der einen und weltlichen Regenten auf der anderen Seite als versteckten Anspruch der Abtei auf die Befreiung von der Herrschaft des Hochstifts – der Eichstätter Fürstbischof ist in der Darstellung völlig ignoriert.
Künste
Der Samstag war der Sektion „Künste“ gewidmet. Das Referat von Manfred Knedlik über „Das Ephemere als Kunstform“ in der klösterlichen Festkultur musste ausfallen. So eröffnete Dr. Gerald Hirtner (Salzburg) den Vormittag mit einem Vortrag über „Die Kunst der empirischen Welterfahrung“ durch Kartographie und Reisen am Beispiel der Oberpfälzer Benediktiner. Die „Kunst zu reisen“, wie eine späte Apodemik von Franz Posselt betitelt ist, wurde auch von den Benediktinern aus verschiedenen Gründen praktiziert. Das bekannteste Beispiel aus der Region ist die Romreise des Ensdorfer Mönchs Anselm Desing im Jahr 1750. Dieser war aber auch als Kartograph tätig, da ihm die visuelle Vermittlung von Informationen ein besonderes Anliegen war. Karten waren nicht nur Informationsmaterial für Reisende, sondern ebenso Medien, die die Vorstellungen der Menschen von der Welt prägten.
Auch Christian Malzer konnte seinen Vortrag nicht selbst halten. Doch wurde eine Kurzversion vorgelesen, die er den Veranstaltern hatte zukommen lassen. Er untersuchte den „Libellus de arte bene moriendi“, den der Reichenbacher Mönch Cyriakus Prucker im Jahr 1495 schrieb. In der Provinzialbibliothek gibt es eine Abschrift aus dem 18. Jahrhundert, Malzer konnte aber auch die mutmaßliche Originalhandschrift ausfindig machen, den Clm 8256 in der Bayerischen Staatsbibliothek. In dem Werk ist die vorausgehende Ars-moriendi-Literatur breit rezipiert. Pruckers Sterbekunst ist an eine monastische Leserschaft gerichtet.
Prof. Dr. Wolfgang Wüst (Erlangen) hatte die klösterliche „ars politica“ – synonym zu „prudentia gubernationis“ oder „Gute Policey“ zu gebrauchen – zum Thema, wie sie in Regensburger Konventen praktiziert wurde. In das Gebiet der protestantischen Reichsstadt eingebettet, war es für sie wichtig, ihre Policey mit der Nachbarschaft abzustimmen. Dies lässt sich an so unterschiedlichen Wirkungsfeldern wie dem Bierbrauen oder der Brandbekämpfung zeigen.
In einem pädagogik-geschichtlichen Beitrag von Dr. Peter Pfister (Fürstenfeldbruck) ging es um die musische Bildung in den verschiedenen Schulen der Zisterzienserinnenabtei Waldsassen, die ab 1865 eröffnet wurden. Das Kloster war eigens zum Zweck der Mädchenbildung in der nördlichen Oberpfalz gegründet worden. Kunst und Musik wurden hier nicht einfach nach Lehrplan unterrichtet, vielmehr waren Vokal- und Instrumentalmusik, Deklamationen und das Theaterspiel auch Teil der klösterlichen Festkultur. Gegen zusätzliches Lehrgeld konnten die „Zöglinge“ Klavier-, Geigen- oder Zither-Unterricht erhalten. So bot das Kloster den Mädchen Chancen der Persönlichkeitsentwicklung, die in der Region sonst nicht gegeben gewesen wären.
Die Veröffentlichung des Tagungsbandes ist im Jahr 2024 vorgesehen.
Abb.: Abt Dr. Beda Maria Sonnenberg OSB, Abtei Plankstetten.