Ein Reiseeindruck aus Waldsassen
Johann Michael Füssel (1753–1824), ein protestantischer Hofmeister aus Franken, berichtete über seine Besichtigung des Stifts Waldsassen im Jahr 1784 u. a.: „Zum Beweiß, wie sehr die Klöster die Kraftsuppen lieben, führe ich an, daß man hier einen ziemlich großen Schneckenberg angelegt hat. Man leitete Wasser herum, um die Mäuse davon abzuhalten; sie drangen aber doch durch, und rotteten die Schnecken gänzlich aus.“
Füssel dokumentierte damit eine Gepflogenheit, die in den Klosterküchen der Frühen Neuzeit weit verbreitet war. Das lag vor allem daran, dass zumindest an Fasttagen in den Refektorien kein Säugetierfleisch serviert werden durfte. Neben Fischen wurden dann auch Krebse, Frösche und mancherorts auch Schildkröten zubereitet – und eben Weinbergschnecken.
Was ist ein Schneckenberg?
Etwas genauer beschrieben ist der Unterhalt des Schnecken-Geheges im „Vollständige[n] und sehr Nutzbare[n] Haußhaltungs-LEXICON“, über das einst auch die Abtei Waldsassen verfügte:
„Schnecken-Berg/ wo man Schnecken in Vorrath halten will/ kan man im Garten an einem erhabenen Ort und auf mürben Boden/ ein Berglein von Erde aufschütten/ oder in einer nicht gar tieffen Gruben/ einen Hauffen grosser Feldsteine zusammen legen/ und mit einem Wasser-Graben/ oder mit einem Drat-Gitter/ etwas von weiten umgeben/ damit die Schnecken nicht hinweg lauffen. Dahin lässet man im Sommer/ so viel man will/ Schnecken tragen/ so kan man sie im Herbst/ wann sie sich geschlossen/ wieder suchen. Inmittelst speiset man sie mit Sallat-Blättern/ oder Weitzen-Kleyen/ die man ihnen nach einen Regen vorschüttet.“
Schneckenrezepte von Odilo Schreger
Wie man die Weinbergschnecken in Waldsassen zubereitete, ist unbekannt. Odilo Schreger (1697–1774), der benediktinische Wissens-Kompilator aus Ensdorf, schlug dafür in seinem „Speismeister“ mehrere Varianten vor. Gemäß dem Grundrezept sollte man die Schnecken „mit heißem Wasser und Asche gegen zwo Stunden“sieden, sie dann aus den Gehäusen ziehen, waschen, putzen und salzen. In die Häuser füllte man gepfefferte Butter und dazu wieder die Schneckenkörper. Dann legte man sie in einen Tiegel, gab noch einmal Butter und Pfeffer darüber und ließ sie am Feuer garen. Vor dem Anrichten übergoss man sie noch mit Fleischbrühe und gehackter Petersilie. Als Gewürze konnte man zusätzlich Ingwer, Pfeffer und Muskatblüte in die Brühe geben.
Als Alternative schlägt Schreger „Schnecken in einer Sardellenbrühe“ vor: „Wasch die Sardellen sauber mit Wein aus, zerstoß sie und treib sie durch, vermische sie mit Butter, Pfeffer und Muscatenblühte, fülle die gesottene und gesäuberte Schnecken mit dem vermischten Butter und Sardellen wieder in ihre ebenfalls wohl gesäuberte Häuslein, und laß sie schon angezeigter maßen braten.“
Auch eine Art Gnocchi oder Nockerln ließen sich herstellen: die „Schnecken Knöpflein“. Hierfür weichte man kleingeschnittenes Weißbrot in Milch ein, übergoss es mit heißem Schmalz, ließ alles ziehen, schlug dann Eier hinein und salzte die Mischung. „[N]imm alsdann die schön geputzt und klein gewiegte Schnecken, auch Mehl soviel als nöthig, und rühre es untereinander, thu Wasser oder Fleischsuppe in die Pfanne, und mache die Knöpflein wie gewöhnlich darein.“
Lit.:
[Füssel, Johann Michael:] Unser Tagbuch [...] Erster Theil, Erlangen 1787, 194.
Vollständiges und sehr Nutzbares Haußhaltungs-LEXICON [...] Zweyter Theil [...], Bamberg 1752, 410f.
Abb.:
Hohberg, Wolf Helmhardt von: „GEORGICA CURIOSA“ [...] Erster Theil [...], Nürnberg 1695, Titelkupfer (Bayerische Staatsbibliothek München: Res/2 Oecon 67-1).