„Es ist kein grosser Unterschied zwischen einer Henne, und einem Gelehrten. Die Henne legt Eyer, und der Gelehrte schreibt Bücher. Es kömmt oft den Gelehrten so schwer an das Bücher schreiben, als die Henne das Eyer legen. [...] Wenn die Henne ein Ey gelegt, so gagitzt sie in der ganzen Gegend, und es muß jedermann wissen, daß sie ein Ey gelegt habe. Machen es die Gelehrte anders? Kaum haben sie etliche Bogen mit Mühe und Schweis ausgebrütet, oder aus andern abgeschrieben, so rucken sie schon damit in die Welt heraus. [...]“So ist es in der „Vorred“ einer kleinen Schrift zu lesen, auf die hier aufmerksam gemacht werden soll.
1997, zum 300. Geburtstag des Ensdorfer Mönchs, Autors und Kompilators Odilo Schreger (1697–1774), entstand eine akribische Bibliographie von dessen Werken. Diese ist nun durch einen „Neufund“ zu ergänzen: Im OPAC der BSB München ist eine Broschüre mit dem Titel „Das Osterey einer gelehrten Henne in 36. Dottern“ verzeichnet, allem Anschein nach ein unikal überlieferter Druck.
Der Titel erinnert an bekannte Predigtsammlungen wie das „OVUM PASCHALE“ des Wiener Barnabiten Florentius Schilling (1602–70) oder das „OVUM PASCHALE NOVUM“ des aus Schwandorf stammenden Jesuiten Andreas Strobl (1703–58). Jedoch sind in dem Heft, wie der Untertitel auch verrät, lediglich „Ostermährlein“ zusammengestellt, „gezogen aus dem berühmten Odilo Schreger“. Entnommen sind die Texte dem 9. Kapitel von dessen „STUDIOSUS IOVIALIS“, in dem „Teutsche Lächerliche Begebenheiten“ aufgezeichnet sind.
Die Publikation knüpft an den Brauch des Risus paschalis an, der christlichen Osterfreude, die von den Geistlichen beim Volk durch amüsante Erzählungen ausgelöst wurde, allerdings eingebettet in die Predigten dieser Tage. Das Schregersche „Osterey“ enthält dagegen allein die Märlein ohne weiteren Kontext. Die Rezeption sollte auch gar nicht in der Kirche erfolgen, sondern im Zuge privater Lektüre. Im Impressum wird mitgeteilt, dass der Druck „ab dem Ostermontag zu haben“ sei und, wie es dann in der Vorrede heißt, „auf allen Bierbrücken fleißig gelesen“ werden möge „und aus allen Handwerkburschen grosse Gelehrte machen möchte.“
Rätselhaft ist der Druckort Hirschau, für den es sonst keine Belege gibt. Er wird fingiert sein, vielleicht, weil es sich bei dem Heft um einen Raubdruck gehandelt haben dürfte. Die Schrift kann nicht früher als 1749 entstanden sein, als die Erstauflage des „STUDIOSUS IOVIALIS“ erschien.
Die Inhalte der Märlein sind nicht auf das Osterfest bezogen, sondern ganz beliebig. Hier ein Beispiel (S. 6):
„Ein sicherer Kaufmann gieng mit zween Capucinern über Land. Sie kamen zu einem Bache, wo die Brucke weggerissen war. Sie musten durchwaden, und weil der Kaufmann seidene Strümpfe hatte, so trug ihn der Capucinerbruder hinüber. Als sie mitten in dem Bache waren, fragte der Bruder, ob der Kaufmann Geld bey sich hätte. Der Kaufmann antwortete: ja: 1000. fl. O wehe rief der Bruder. Ich darf kein Geld tragen, es ist wider meine Regel. Unter diesen Worten warf er den Kaufmann ins Wasser.“
Lit.:
Knedlik, Manfred: Bibliographie der Werke Odilo Schregers, in: Literarische Klosterkultur in der Oberpfalz. Festschrift zum 300. Geburtstag von P. Odilo Schreger OSB (Hgg. ders., Alfred Wolfsteiner), Kallmünz 1997, 33–56.
Das Osterey einer gelehrten Henne in 36. Dottern. Das ist: deutsche kurzweilige Ostermährlein, gezogen aus dem berühmten Odilo Schreger zu einem erlaubten Zeitvertreib auf die Osterfeyertage, Hirschau o. J. [nicht vor 1749] (BSB M: Res/4 L.eleg.m. 253,14).