Bereits zu Jahresanfang, also wohl anlässlich des 80. Geburtstag der Künstlerin am 7. Februar 2024, war vom Schirmer/Mosel Verlag eine Neuauflage des Bildbandes „Bibliotheken“ (Erstausgabe 2005) von Candida Höfer angekündigt worden. Mit einigen Monaten Verspätung wurde er nun ausgeliefert. Vor die 137 Bildtafeln ist der Text von Umberto Ecos Vortrag „Die Bibliothek“ von 1981 gesetzt (S. 5–13).
Der überschwängliche Klappentext ist kaum übertrieben: „Im Zusammenklang von Bildern und Text ist das Buch ein Fest für Bibliophile – ein bis an den Rand gefülltes ‚kunstvolles‘ Gefäß für alle, die beruflich mit Büchern umgehen – ein kostbares Geschenk für Büchernarren und -weise und für Buchhändler und Literaten sowieso.“
Höfer hat ihre Fotografien in ganz Westeuropa und auf dem amerikanischen Kontinent aufgenommen. Etliche Tafeln zeigen Klosterbibliotheken: Vertreten sind beispielsweise Räume in Klosterneuburg, Mehrerau, Sankt Gallen und Strahov. Zu ihnen gehört auch die einzige oberpfälzische Bibliothek des Zyklus: diejenige in St. Emmeram (S. 123). Die Künstlerin hat sie im Jahr 2003 besucht. Wie in vielen anderen Fällen platzierte sie die Kamera so, dass eine zentralperspektivische Totale zu sehen ist. Durch einen relativ hohen Horizont ist dem geometrischen Steinfußboden, von rechts beschienen von morgendlichem Sonnenlicht, weit mehr Bildfläche zugestanden als der Deckenwölbung mit den Asam-Fresken.
Die von Höfer fotografierten Räume sind meist menschenleer. Sie bemühte sich, die Bibliotheken außerhalb der Öffnungszeiten aufzunehmen. Damit setzte sie ein architekturfotografisches Prinzip ihrer Lehrer Bernd und Hilla Becher fort. Sandra Hofmeister schreibt dazu: „Konsequent konzentriert Candida Höfer ihren Blick seit den 1980er Jahren auf Innenräume, die in ihren Fotografien ein erstaunliches Eigenleben entfalten, gerade weil die alltäglichen Nutzer und Bewohner fehlen.“
Das ließe sich eigentlich auch über die menschenleeren Grafiken von Rolf Escher sagen. In seinem Fall wurde dieser Zug aber öfter kulturpessimistisch gedeutet: Bibliotheken hätten sich durch den Medienwandel gleichsam in Lost Places verwandelt, denen die Besucherschaft abhanden gekommen sei (in eine ähnliche Richtung weisen, allerdings weitaus drastischer, die „livres perdus“ des französischen Künstlers Pascal Convert). Dabei wird aber übersehen, dass es eine feststehende Fototradition der menschenleeren Bibliotheken gibt: Schon auf frühen Ansichtskarten von Büchersälen, beispielsweise aus Waldsassen, sind so gut wie nie Menschen zu sehen.
Lit.:
Höfer, Candida: Bibliotheken. Mit einem Essay von Umberto Eco, München (Neuauflage) 2024.